Der Schuh
Natur & Umwelt

Der Schuh – postoperativer Stress

Sollten Sie jetzt einen Artikel über Schuhe erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen. Bei diesem Text handelt es sich um eine Serie. Was, wie, wo, warum – die Antworten darauf finden Sie im ersten Teil.

Pünktlich auf den Tag genau sechs Wochen nach der Operation hatten wir einen Kontrolltermin beim Tierarzt, der die Frage klären sollte, ob Schühchen endlich wieder aus dem Käfig und frei herumlaufen darf. Das Fellknäuel war bereits die letzten drei Wochen im Käfig unausstehlich geworden; ständig hat sie geschimpft und gejammert und war so sauer auf mich, dass sie mir drohte, umgehend auszuziehen, sobald sie dazu die Möglichkeit hat. Ich verstehe Eltern seit dieser Zeit viel besser – das Dilemma, in dem sie sich befinden, zwischen „Ich liebe mein Kind sehr, ich möchte es immer um mich haben“ und „Geh‘ mit Gott, aber geh‘. Bitte! Ich ertrage Dich nicht mehr!“ Je weiter Schühchens Zeit im Käfig fortschritt, desto öfter tendierte ich zum „Geh‘ mit Gott, aber geh‘!“ Allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde. Niemals würde ich sie gehen lassen, eher würde ich mich für dieses kleine Ding vierteilen lassen. (Wenn auch nicht besonders gerne.)

Ich brachte die Stiefelette also in das Untersuchungszimmer, und der Arzt versetzte mir erst einmal einen Dämpfer. Er sehe sich das jetzt an, ich solle mit aber nicht allzu viele Hoffnungen machen, dass sie schon aus dem Käfig dürfe. Er öffnete also die Tür von Schühchens Körbchen – und Madame spazierte heraus, als wäre nie etwas gewesen, und inspizierte das ganze Zimmer. Selbstverständlich sprang sie auch auf diverse Flächen. Und ständig wedelte sie divenhaft und sichtlich zufrieden mit dem Schwanz. Der Arzt schnappte sich Mylady stirnrunzelnd und packte sie auf den Untersuchungstisch. Hat den Schuh nicht weiter gestört, ich glaube, es war ihr total egal, was man mit ihr macht, Hauptsache, sie ist ausnahmsweise nicht in einem Käfig.

Nach etwa zehn Minuten schüttelte der Arzt irritiert den Kopf, drehte sich zu mir und meinte sichtlich fassungslos, dass es Schühchen blendend gehe, alles hervorragend geheilt bzw. zusammengewachsen sei und dass sie ab sofort nicht mehr im Käfig sein müsse. Sie sei so gut wie neu, bis auf das ganze Metall in ihrem Körper. Rückblickend kann ich nicht sagen, wer von uns beiden erleichterter war, vermutlich allerdings sie, so viel Quatsch, wie sie in ihrer neuen alten Freiheit gemacht hat, kaum, dass wir wieder daheim waren.

Das Timing hätte auch besser nicht sein können, denn für den darauffolgenden Tag war eine große Reise mitsamt der Stiefelette geplant. Damals hatte ich eine Fernbeziehung (die heute eine Nahbeziehung ist), weshalb ich regelmäßig zwischen München und Hamburg pendelte. Erstmals sollte Schühchen mit auf die Reise gehen – zwei Wochen Urlaub in Hamburg. Da es Schühchens erste große Autofahrt war, sorgte ich natürlich vor. Ich hatte ein Katzenklo besorgt, das in den Fußraum der Beifahrerseite passte, und natürlich habe ich Wasser und Trockenfutter für die Fahrt parat gehabt. Der Plan war, alle 150 Kilometer anzuhalten, den Schuh aus dem Katzenkorb zu holen und ihr Toilette, Wasser und Futter anzubieten. Geplant, getan. Nur – der Schuh hatte an nichts von alledem ein Interesse. Klo? Nö. Wasser? Vergiss es. Futter? Kannste selber fressen! Nach der vierten nutzlosen Pause beschloss ich, die restliche Strecke durchzufahren.

Der Schuh - postoperativer Stress
Im Auto

Nachdem wir endlich angekommen waren, durfte sie natürlich erst einmal die neue Wohnung inspizieren. Das Ergebnis eines etwa zehnminütigen Rundgangs war, dass die Wohnung in Ordnung ist und sie diese ab sofort übernehmen würde. Tatsächlich hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, dass ihr die Umgebung total egal ist, Hauptsache, ihre Menschen sind bei ihr. Eine Katze zum Pferde stehlen.

Am nächsten Tag wartete die nächste Aufregung auf mein Fellknäuel. Der Mann hatte schon damals nämlich einen Teilzeithund. Jessy, eine gutmütige Labradordame, Sportmodell (tiefergelegt, also ziemlich klein), die von Dienstag bis Freitag bei ihm war. Und Schühchen sollte sie kennenlernen. Fragen sie nicht – ich als Überkatzenmutter war natürlich unfassbar besorgt – arme Katze vor sechs Wochen erst aus dem Fenster gefallen, schwere Operation hinter sich, gerade erst seit zwei Tagen wieder auf freiem Fuß, und dann sollte sie auch noch das erste Mal in ihrem Leben auf einen Hund treffen …?

Der Schuh und Jessy
Die erste Begegnung

Langer Rede, kurzer Sinn – sie haben sich angeschaut, beschnüffelt und sich akzeptiert. Enge Freunde sind sie zwar nicht geworden, aber immerhin tolerieren sie sich.

Der Schuh und Jessy
Der Schuh und Jessy

Und manchmal, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, sieht man so kleine Gesten. Wie Schühchen zum Beispiel zärtlich am Kopf des schlafenden Labbis schnüffelt, natürlich nicht, ohne angemessen angewidert zu gucken. Oder wie Jessy ihren Ball Richtung Stiefelchen schiebt, ganz vorsichtig – vielleicht will sie ja doch mal mit ihr spielen …?


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Geschrieben von

Autorin. Rechtsanwältin. Apfel-affin. Katzennärrin. Nervtötend.

 
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