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Christian Morgenstern aus Leisnig – War es ein Unfall? Ein Suizid? Oder doch Mord?

Ein junger Mann verschwindet zunächst spurlos. Doch dann taucht seine Leiche auf. Die Umstände um den Tod des Christian Morgenstern werfen viele Fragen auf.

Die Tage zuvor

Es ist Dezember 2018. Der 20-jährige Christian Morgenstern, der in Bernburg Landschaftsarchitektur und Umweltplanung studiert, kommt für die Weihnachtsfeiertage nach Hause zu seinem Eltern und seinen Geschwistern Sarah (22) und Elias (14) im sächsischen Leisnig. 

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Am 28. Dezember packt er seinen PC und seinen Bürostuhl in sein Auto. Er will die nächsten Tage zusammen mit Freunden nur ein paar Hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt eine LAN-Party feiern. Es ist das letzte Mal, dass ihn seine Eltern Susan und Dirk Morgenstern lebend sehen.

Die nächsten Tage verbringt er wie geplant mit seinen Freunden. Sie zocken fast rund um die Uhr, von Call of Duty über Payday bis hin zu Strategiespielen ist alles dabei. Sie ernähren sich, wie es sich für eine ordentliche LAN-Party gehört, von Pizza und Döner und trinken Desperados, Wodka Banane und, um wach zu bleiben, jede Menge Coffeedrinks. 

Silvester

Die Nacht von 30. Dezember auf 31. Dezember machen sie durch, fahren morgens zu McDonald‘s und schlafen dann noch eine Runde. Abends soll dort, wo die letzten Tage gezockt wurde, eine Silvesterparty steigen. Deshalb fährt Christian gegen 18 Uhr kurz nach Hause, bringt seinen PC und seinen Bürostuhl zurück, macht sich für die Party fertig und packt ein paar Sachen zusammen. Obwohl die Party nah an seinem Elternhaus stattfindet, möchte er dort übernachten und erst am nächsten Tag wieder nach Hause kommen.

Christians Vater hatte ihm am 31. Dezember um 12:16 Uhr eine WhatsApp-Nachricht geschickt: „Hallo Christian, willst du in den Sommerurlaub mitkommen? Gruß Papa“.

Christian will. Er versucht daher, seinen Vater um 18:31 telefonisch zu erreichen, um ihm Bescheid zu geben. Doch Vater Dirk hört den Anruf nicht. Er ruft Christian um 21:03 Uhr zurück, als Christian schon mit 23 anderen beim Feiern ist. Er sagt: „Ich fahr mit in den Sommerurlaub.“

Gegen 23:30 läuft die Partygesellschaft, bewaffnet mit Feuerwerkskörpern und Böllern, zum Marktplatz. Um Mitternacht stoßen die Freunde miteinander an, Christian küsst eine alte Freundin. 

Bis etwa zwei Uhr morgens feiern die Freunde auf dem Marktplatz, dann machen sie sich auf den Rückweg zur Partylocation. Christian und die Freundin, die er geküsst hat, bieten einem alten Ehepaar ihre Hilfe an, dem sie auf dem Rückweg begegnen, da der Mann sich mit dem Laufen schwer tut. Sie bringen das Paar über die Fußgängerbrücke, die über die Mulde führt. 

Im Haus seines Freundes angekommen, feiern sie weiter. Doch gegen 03:45 Uhrwird es seltsam: Christian steht plötzlich mit seiner gepackten Tasche im Türrahmen und verkündet, dass er nun nach Hause gehen würde. Drei Mädchen wollten mit ihm ein Stück des Weges zusammen gehen, doch auf die drei wartet er nicht. Er scheint es eilig zu haben. Christian geht alleine los. Und seine Spur verliert sich.

Neujahr

Gegen 09:00 Uhr am Morgen sieht ein Spaziergänger auf der Fußgängerbrücke über die Mulde eine Jacke liegen, ignoriert sie jedoch. Erst gegen 11.30 Uhr hebt ein Anwohner die Jacke auf und findet darunter Christians Schal, seine Basecap, seinen Schlüsselbund, den Fahrzeugschein seines Autos und seine Gesundheitskarte. Er nimmt die Sachen mit nach Hause.

Gegen 09:00 Uhr am Morgen sieht ein Spaziergänger auf der Fußgängerbrücke über die Mulde eine Jacke liegen, ignoriert sie jedoch. Erst gegen 11.30 Uhr hebt ein Anwohner die Jacke auf und findet darunter Christians Schal, seine Basecap, seinen Schlüsselbund, den Fahrzeugschein seines Autos und seine Gesundheitskarte. Er nimmt die Sachen mit nach Hause.

Gegen 09:00 Uhr am Morgen sieht ein Spaziergänger auf der Fußgängerbrücke über die Mulde eine Jacke liegen, ignoriert sie jedoch. Erst gegen 11.30 Uhr hebt ein Anwohner die Jacke auf und findet darunter Christians Schal, seine Basecap, seinen Schlüsselbund, den Fahrzeugschein seines Autos und seine Gesundheitskarte. Er nimmt die Sachen mit nach Hause.

Die ersten polizeilichen Maßnahmen 

Die verzweifelten Eltern melden ihren Sohn als vermisst. Die Polizisten des Reviers Döbeln nehmen die Stelle, an der Christians Sachen gefunden wurden, in Augenschein. Die Spurensicherung rufen sie jedoch nicht. Daher ist bis heute nicht klar, ob es dort Spuren von Blut, Fingerabdrücke, Faserspuren oder sonstiges gegeben hat. 

Zudem veranlasst die Polizei eine Ortung des Handys von Christian; auf eine Funkzellenabfrage bei den Mobilfunkanbietern verzichten sie jedoch, da dafür ein richterlicher Beschluss notwendig gewesen wäre. Diesen hätten sie nur erhalten können, wenn Verdacht auf eine Straftat besteht und dementsprechend ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre. Doch die Polizei geht von Beginn an nicht von einer Straftat aus. 

Warum aber wäre eine Funkzellenabfrage überhaupt interessant gewesen? Nun, bei einer Funkzellenabfrage erhält die Polizei sämtliche Verkehrsdaten aller Handys, die in der abgefragten Zeit in der Gegend eingeschaltet waren. Man hätte also herausfinden können, wer bei Christians Verschwinden in dessen Nähe gewesen ist. 

Laut der Ortungsdaten von Christians Handy lag der letzte Standort in einer Funkzelle, die auch die Brücke abdeckt. Die letzte Ortung erfolgte an Neujahr um 04:21 Uhr. Aufgrund dieser Ortungsdaten sucht die Polizei nun umgehend das Ufer der Mulde bis hin zum ca. 350 Meter entfernten Wasserwerk mit Wehr nach Christian ab. Ohne Erfolg. Nach wie vor geht die Polizei von einem Unfall oder Suizid aus. Ein Ermittlungsverfahren wird daher nicht eingeleitet.

War Christian Morgenstern aus Leisnig suizidgefährdet?

Freunde und Familie geben bei der Polizei an, Christian sei weder depressiv noch traurig gewesen. Seine Freunde beschreiben ihn als cool, witzig und lebensfroh, aber auch als einen der ruhigeren in der Gruppe. Er sei hilfsbereit und empathisch gewesen. Das Ehepaar, dem Christian und seine Freundin in der Silvesternacht begegnet waren, schilderten ihn als sehr zugewandt und fröhlich, nicht betrunken. Auf Depressionen oder gar Suizidgedanken gab es niemals Hinweise in Christians Leben. 

Die weitere Suche

Die Suche nach Christian wird fortgesetzt. Um ihn zu finden, werden Hubschrauber, Taucher, und Schlauchboote mit Sonargeräten eingesetzt. Spürhunde versuchen, Christians Fährte aufzunehmen. 

Da die Polizei nach wie vor von einem Suizid ausgeht, erstatten Christians Eltern am 7. Januar 2019 schließlich Strafanzeige wegen des „Verdachts einer Straftat gegen Leben und Gesundheit von Christian Morgenstern“. Ziel: Es soll endlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Die zuständige Staatsanwaltschaft geht zwar auch nicht von einer Straftat aus, dennoch wird nun zumindest die Kripo involviert. 

Christians Konten werden überprüft. Seine Eltern hatten für ihn ein Ausbildungskonto mit einem Guthaben von gut Euro 10.500,00 eröffnet; auf dieses Geld konnte er seit 2016 zugreifen. Im Januar 2019 sind davon nur noch Euro 1,30 übrig. Die Eltern sind überrascht, denn Christian erhielt jeden Monat Geld von ihnen und war grundsätzlich sehr sparsam. Inwieweit hier Geldflüsse nachvollziehbar waren, ist nicht öffentlich bekannt. 

Am 6. Februar wird schließlich Christians Leiche 15 Kilometer flussabwärts von Leisnig, kurz vor Grimma, in der Mulde gefunden. Sein Gesicht eingehüllt in Algen, der tote Körper in Ästen hängen geblieben. Bei ihm: Sein Handy. Seine Uhr, seine EC-Karte und sein Portemonnaie fehlen bis heute. 

Rechtsmediziner gehen davon aus, dass Christian zwischen dem 1. und dem 2. Januar starb. Todesursache: Ertrinken. Äußerlich gebe es keinen Hinweis auf Fremdeinwirkung. Die Polizei vermerkt in ihrem Bericht: Es gibt „keine Annahme für eine Straftat, die zum Tod des jungen Mannes geführt hat. Vielmehr spricht derzeit nichts gegen ein suizidales Geschehen.“ Die zuständige Staatsanwaltschaft sagt: „Es gibt derzeit keine neuen Ermittlungsansätze. Die Obduktion hat keine Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben. Er hatte wenig Alkohol im Blut, keine Drogen.“

Indizien und Ungereimtheiten 

Tatsächlich spricht, ausgehend von den Details, die bekannt sind, einiges gegen die Suizidtheorie.

Warum ging Christian noch einmal von Zuhause weg?

Es scheint gesichert zu sein, dass Christian gegen vier Uhr morgens nach Hause kam und seine Tasche im Carport deponierte. Ein Fremder kann es aus mehreren Gründen nicht gewesen sein: Zum einen ist das Grundstück, auf dem sich das Carport befindet, mit Mauern und Zäunen sehr gut geschützt. Zum anderen hätte der Familienhund Bo laut der Familie mit Sicherheit angeschlagen, wenn ein Fremder das Grundstück betreten hätte.

Hätte er sich umbringen wollen, scheint es nahe zu liegen, dass er die Tasche entweder „irgendwo“ abgestellt oder aber sie mitgenommen hätte. Weshalb der Umweg über das Carport?

Die Gegenstände auf der Brücke

Welchen Grund sollte Christian gehabt haben, einen Teil seiner Sachen auf der Brücke liegen zu lassen, ein paar Karten aus dem Portemonnaie herauszuholen und mit den anderen Sachen zusammen ins Wasser zu springen? Das macht keinen Sinn. Wäre es ein Unfall gewesen, hätte es ebenfalls keinen Grund gegeben, einen Teil seiner Gegenstände so sorgfältig auf der Brücke zu drapieren. 

Außerdem war Christians Jacke beim Auffinden fast trocken, obwohl es am Neujahrsmorgen geregnet hatte. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Christians Sachen erst nachträglich dort platziert wurden. Zudem soll es eine Zeugin geben, die gegen 10 Uhr mit ihrem Hund über die Brücke gegangen ist. Laut ihrer Aussage soll zu dieser Zeit noch keine Jacke auf der Brücke gelegen haben.

Diese Aussage widerspricht jedoch der Aussage des Zeugen, der die Jacke bereits gegen 9 Uhr dort liegen gesehen haben will. 

Der Zustand der Leiche

Nach Ansicht der Polizei ist Christian von der Fußgängerbrücke in die Mulde gefallen bzw. gesprungen. Die Brücke ist etwa 7,30 Meter hoch, die Mulde an der Stelle etwa 2,40 Meter bis 2,80 Meter tief. Es ist davon auszugehen, dass ein Sturz aus dieser Höhe deutliche Verletzungen zur Folge hätte. Es scheint nicht einmal innere Verletzungen oder Knochenbrüche gegeben zu haben. 

Zudem ist Christians Körper nach der Suizidtheorie 15 Kilometer durch die Mulde getrieben. Dass auch dies keine Spuren am Körper hinterlassen haben soll, ist zumindest zweifelhaft. 

Der Auffindeort

Merkwürdig ist außerdem die Tatsache, dass Christian nicht bereits bei der ersten Suche gefunden wurde. Wäre Christian in der Nacht seines Verschwindens von der Fußgängerbrücke in die Mulde gefallen bzw. gesprungen, hätte sein Körper zwischen Brücke und Wehr gefunden werden müssen. Denn: Ein Hochwasser, dass seinen Körper über das Wehr hätte spülen können, gab es erst knapp zwei Wochen nach Christians Verschwinden.

Der PC

Die Auswertung von Christians PC ergab keinen Anhaltspunkt für einen Suizid. Er hat nichts über Depressionen oder Selbstmord gegoogelt und keine einschlägigen Foren besucht. Der Inhalt des Computers: Vollkommen unauffällig. 

Das Handy

Ausweislich Christians Handyrechnung hatte Christians Handy, ein iPhone 7, am 1. Januar noch bis 07:32 Uhr eine funktionierende Internetverbindung. Seine Eltern bezweifeln daher, dass das Handy schon vor diesem Zeitpunkt in der Mulde lag.

Das iPhone 7 war das erste iPhone-Modell, das IP67-klassifiziert war. Es soll gegen Spritzwasser geschützt sein. Praxistests zeigten allerdings, dass ein in (Süß-)Wasser getauchtes iPhone 7 durchaus noch für einige Zeit unter Wasser funktionsfähig bleibt. Die Datenverbindung ist daher kein überzeugendes Indiz für das Vorliegen von Fremdeinwirkung.

Allerdings hat die Polizei ermittelt, dass Christians Handy am 2. Januar und am 7. Januar für kurze Zeit im WLAN Netz seiner Eltern eingeloggt war. Eine plausible Erklärung dafür gibt es nicht, außer, dass jemand mit Christians Handy sehr nah am Haus der Familie gewesen sein muss.

Zudem soll ein Unbekannter bereits am Neujahrsmorgen gegen 10:00 Uhrversucht haben, Christians Apple ID zu knacken.

Das iPhone, das bei Christian gefunden wurde, Konnte die Polizei wohl bis heute nicht knacken. Sollten sich darauf Hinweise befinden, was in der Neujahrsnacht mit Christian Morgenstern geschehen ist, so will es dieses Geheimnis nicht preisgeben. 

Auswertung der Ersatz-SIM-Karte von Christian

 Die Polizei findet auf einer Ersatz-SIM-Karte ältere Text- und Sprachnachrichten. In einigen soll von Drogen die Rede gewesen sein, von „highspeed“, „super silver haze“, „Cookies“ und „superkrassemzeug für 8er kurs“. Diese Nachrichten datieren auf den Zeitraum zwischen Oktober 2015 und März 2018. Christians Eltern hegten nach dem Fund dieser Nachrichten den Verdacht, dass ihr Sohn da in etwas hineingeraten sein könnte, das tödlich für ihn endete. 

Christian Morgensterns Tod wirft einige Fragen auf. Wie die Polizei diese erklären will, ist mir nicht bekannt. Eines ist aber gewiss: Sollte eines Tages ans Licht kommen, was mit Christian Morgenstern geschah – sein Vater Dirk Morgenstern wird es nicht mehr erfahren. Er kam am 16. Mai 2021 „unter tragischen Umständen“ im Alter von 50 Jahren ums Leben. Nach meinen Recherchen beging er Suizid. 

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Geschrieben von

Autorin. Rechtsanwältin. Apfel-affin. Katzennärrin. Nervtötend.

 
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One Comment

  • ariane

    Christians Fall ist nicht der einzige, wo es sehr viele Ungereimtheiten gibt die bewußt vertuscht werden. Ermittlungsfehler usw werden unter den Tisch gekehrt und für alles gibt es Aussreden……… Als Angehörige findet man vielleicht nur noch einen Weg in unserem ach so korrekten Rechtsstaat. Für Nichtbetroffene klingt alles nur sehr unglaubwürdig und man wird als Traumapatient abgefertigt. Jeder Tatortermittler ermittelt intensiver, so traurig es ist. Wenn sofort ermittelt würde und Zeugen vernommen werden würde, gäb es keine oder weniger Cold Cases.

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