Roland T. Owen – was geschah in Zimmer 1046
Crime

Roland T. Owen – was geschah in Zimmer 1046?

Ein fremder Mann. Eine falsche Identität. Ein merkwürdiges Verhalten. Ein brutaler Mord.

2. Januar 1935

Wir befinden uns im Jahr 1935 in Kansas City, Missouri. Am frühen Nachmittag des 2. Januar betrat ein gut gekleideter Mann in einem dunklen Mantel das Hotel President im Power & Light District und fragte nach einem Hotelzimmer in einer der höhergelegenen Etagen. Es solle zum Innenhof liegen, nicht zur Straßenseite gerichtet sein. Er buchte ein Zimmer auf den Namen Roland T. Owen und gab eine Anschrift in Los Angeles als Heimatadresse an. Gepäck hatte er keines dabei. Aufgrund einer sichtbaren Narbe an der Schläfe sowie einem Blumenkohlohr ging das Personal davon aus, dass er Boxer oder Ringer war.

Owen wurde von dem Pagen Randolph Probst auf sein Zimmer im zehnten Stockwerk, Zimmer 1046 mit Blick auf den Innenhof des Hotels, gebracht. Owen erzählte ihm auf dem Weg, dass er die Nacht zuvor im nahegelegenen Muehlebach-Hotel verbracht hatte, ihm dieses Hotel mit 5 $ pro Nacht (heute etwa 100 $) zu teuer gewesen sei. Der Page registrierte, dass Owen eine Haarbürste, einen Kamm und Zahnpasta aus seiner Manteltasche nahm und die Sachen über das Waschbecken legte. Anschließend gab Probst Owen den Schlüssel und verließ das Zimmer. Owen verließ kurz darauf das Hotel.

Am frühen Nachmittag desselben Tages betrat das Zimmermädchen Mary Soptic Zimmer 1046, um es zu reinigen. Mary war überrascht, Owen vorzufinden, reinigte aber dennoch das Zimmer. Sie registrierte mit Verwunderung, dass Owen mitten am Tag sämtliche Vorhänge zugezogen hatte und nur eine einzelne, gedimmte Lampe brannte. Zu diesem Zeitpunkt wusste Mary noch nicht, dass sie sich in Zimmer 1046 noch öfter darüber wundern würde.

Während Mary das Zimmer reinigte, verließ Owen den Raum. Er bat Mary, das Zimmer unverschlossen zu lassen, da er in Kürze Freunde erwarte. Mary tat, wie geheißen. Gegen 16:00 kehrte sie noch einmal in das Zimmer zurück, um frisch gewaschene Handtücher zu bringen. Der Raum war in vollständige Dunkelheit gehüllt. Im Schein des Flurlichts erkannte Mary aber, dass Owen vollständig bekleidet auf dem Bett lag. Auf dem Nachttisch neben ihm lag ein Zettel: „Don: I will be back in fifteen minutes. Wait.“ Zu deutsch: „Don: Ich bin in einer viertel Stunde zurück. Warte.“

3. Januar 1935

Am nächsten Morgen kehrte Mary gegen 10:30 Uhr in Owens Zimmer zurück. Die Zimmer des Hotels konnten nur von außen verriegelt werden. Als Mary Zimmer 1046 verschlossen vorfand, ging sie daher davon aus, dass Owen nicht da sei. Sie betrat das Zimmer – und fand Owen im dunklen Zimmer sitzend vor. In dem Moment klingelte das Telefon in Owens Zimmer. Er nahm ab: „No, Don, I don‘t want to eat. I am not hungry. I just had breakfast … No, i am not hungry.“ („Nein, Don, ich will nichts essen. Ich bin nicht hungrig. Ich habe gerade gefrühstückt … Nein, ich bin nicht hungrig.“)

Roland T. Owen - was geschah in Zimmer 1046
Detektive versuchen das Rätsel um den Mord zu lösen

Nach dem Telefonat unterhielt sich Owen mit Mary, während sie das Zimmer reinigte. Er stellte ihr einige Fragen – ob sie für die gesamte Etage zuständig sei und ob der Präsident auch das Hotel bewohne. Zudem beschwerte er sich erneut über die Preise des Muehlebach-Hotels. Schließlich verließ Mary das Zimmer wieder, als sie fertig war.

Wie schon tags zuvor kehrte sie gegen 16:00 Uhr mit frischen Handtüchern zurück. Als sie vor Zimmer 1046 stand, hörte sie zwei männliche Stimmen, die sich unterhielten. Als sie anklopfte, fragte eine laute und tiefe Stimme, wer an der Tür sei. Als Mary antwortete, sie habe frische Handtücher mitgebracht, rief dieselbe Stimme, sie bräuchten keine Handtücher. Mary war verwundert, da sie die alten Handtücher am Morgen mitgenommen hatte. Es waren somit keine Handtücher auf dem Zimmer.

Die Nacht von 3. Januar auf 4. Januar 1935

Gegen 18:00 checkte eine gewisse Jean Owen in das Hotel ein. Jean wohne in Lee‘s Summit, nicht weit von Kansas City entfernt. An diesem Tag war sie zum Shoppen nach Kansas City gefahren. Da sie sich aber krank fühlte, entschloss sie sich, nicht nach Hause zu fahren, sondern stattdessen die Nacht in Kansas City zu verbringen. Sie bezog Zimmer 1048, ein Zimmer, das ebenfalls im zehnten Stock des Hotels unmittelbar neben Owens Zimmer lag. Um 21:20 erhielt sie in ihrem Zimmer noch Besuch von einem Freund, der in einem Blumenladen in der Nähe arbeitete. Er blieb zwei Stunden und verließ das Hotel gegen 23:30 Uhr wieder.

Später an diesem Abend hörte sie zunächst einen Mann und eine Frau in Zimmer 1046 streiten. Später hörte sie lauten Krach auf der Etage und mehrere Männer und Frauen laut sprechen und fluchen.

Auch der Fahrstuhlführer Charles Blocher bemerkte ungewöhnliche Aktivitäten in dieser Nacht – es klang, als habe es in Zimmer 1055 eine laute Party gegeben. An einen Gast erinnerte sich Charles besonders gut – eine Frau, die bereits bei anderen Gelegenheiten männliche Hotelgäste in deren Zimmern besucht hatte; er hielt sie daher für eine Prostituierte. In dieser Nacht kam sie irgendwann zwischen 0 Uhr und 3 Uhr morgens und wollte in den 10. Stock, zu Zimmer 1026. nur 5 Minuten später rief die Dame wieder den Aufzug, diesmal sichtlich verwirrt. Ihr Klient sei nicht in Zimmer 1046 gewesen. Sie fragte sich, ob er vielleicht in Zimmer 1024 sei, da dort Licht durch das Oberlichtfenster gesehen habe. Statt die Etage zu verlassen, blieb sie nach dem Gespräch mit Charles jedoch weiterhin im 10. Stockwerk.

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Hotel President

30 Minuten später wurde Charles wieder in den 10. Stock gerufen. Die Dame wollte diesmal in die Lobby gebracht werden. Wiederum eine Stunde später fuhr sie zusammen mit einem Mann in den 9. Stock. Gegen 04:15 verließ sie schließlich das Hotel. Gegen 04:30 verließ auch der Mann, mit dem die Dame zuvor auf‘s Zimmer gegangen war, das Hotel. Angeblich konnte er nicht schlafen und wollte spazieren gehen.

4. Januar 1935

Owen hatte an der Rezeption Bescheid gegeben, dass er um 07:00 telefonisch geweckt werden wolle. Der Telefonist Della Ferguson, der gerade seine Schicht begonnen hatte und den Weckruf tätigen wollte, bemerkte jedoch, dass das Telefon in Zimmer 1046 nicht aufgelegt worden war.

Probst, der Page, der Owen zwei Tage zuvor auf sein Zimmer gebracht hatte, ging daraufhin zu Zimmer 1046. Die Tür war verschlossen, es hing ein „Bitte nicht stören“-Schild an der Klinke. Nachdem Probst mehrfach geklopft hatte, wurde er aus dem Inneren des Zimmers aufgefordert, hereinzukommen. Da die Tür jedoch verschlossen war und Probst keinen Schlüssel bei sich hatte, klopfte er erneut. Wieder ertönte die Aufforderung, hereinzukommen und das Licht anzuschalten. Probst rief daraufhin lediglich, dass Owen das Telefon auflegen sollte, und ging.

Probst teilte Ferguson mit, dass Owen wohl betrunken sei und er noch eine Stunde warten solle. Als das Telefon um 08:30 immer noch nicht aufgelegt war, wurde ein anderer Page, Harold Pike, zu Zimmer 1046 geschickt. Auch er fand eine verschlossene Tür mit dem „Bitte nicht stören“-Schild vor; da er jedoch einen Schlüssel dabei hatte, ließ er sich selbst hinein.

Owen lag im dunklen Zimmer nackt auf seinem Bett. Im Schein des Lichts vom Flur sah Pile einige dunkle Flecken auf dem Bettzeug. Anstatt das Licht anzuschalten, ging er jedoch lediglich zum Nachttisch, sah, dass das Telefon am Boden lag, hob es auf und legte den Hörer auf. Danach ging er wieder.

Kurz nach 10:30 Uhr registrierte eine Telefonistin, dass das Telefon in Zimmer 1046 wieder ausgehängt war. Diesmal ging Probst nach oben, auch er diesmal mit einem Schlüssel. Nachdem auf sein Klopfen niemand reagierte, öffnete er die Tür mit seinem Schlüssel. Owen lag 60 cm von der Tür entfernt auf Knie und Ellbogen gestützt am Boden. Sein Kopf war über und über blutverschmiert. Als Probst das Licht einschaltete, entdeckte er Blutspuren an den Wänden im Schlafraum, am Bett und im Bad. Er lief sofort los, um Hilfe zu holen. Als er mit dem Manager zurückkehrte, konnten sie die Tür nicht mehr öffnen, da Owen dahinter lag. Trotz seiner Verletzungen stand Owen auf, ging ins Bad und setzte sich an den Rand der Badewanne. Der Manager rief die Polizei und einen Arzt.

Owen war mit einer Kordel um seinen Hals, seine Handgelenke und seine Knöchel gefesselt worden. An seinem Hals wurden Würgemale gefunden. Ihm wurde mehrfach in die Brust oberhalb des Herzens gestochen. Seine Lunge wurde durchstochen. Zudem wurde er mehrfach auf den Kopf geschlagen, wodurch er eine Schädelfraktur erlitt. Er war schwer verletzt.

Roland T. Owen – was geschah in Zimmer 1046

Auf die Frage, wer ihm das angetan habe, antwortete er „niemand“. Die Verletzungen habe er sich bei einem Sturz zugezogen; er habe sich dabei dem Kopf an der Badewanne aufgeschlagen. Auf die Frage, ob er sich umbringen wollte, konnte er gerade noch mit „nein“ antworten. Dann verlor Owen das Bewusstsein und starb kurz nach Mitternacht am 5. Januar im Krankenhaus.

Was wissen wir?

Es wurden Ermittlungen eingeleitet und eine Autopsie durchgeführt. Todesursache waren die schweren Verletzungen. Der Trocknungsgrad der Blutflecken in Zimmer 1046 sprach dafür, dass Owen die Wunden zwischen 4 und 5 Uhr am Morgen des 04. Januar zugefügt worden waren. Im Zimmer fehlten die Seife, das Shampoo und die Handtücher. Die Ermittler fanden vor Ort keine Messer, so dass Selbstmord ausschied. Auch die Fesselungen sprachen dagegen.

Die Gläser, die sich im Zimmer befanden, standen im Bad; eines stand auf dem Regal über dem Waschbecken, das andere, von dem ein Stück herausgebrochen war, lag im Waschbecken. Zudem fanden die Ermittler eine Sicherheitsnadel, eine Haarnadel, eine nicht angezündete Zigarette und eine kleine, volle Flasche unverdünnte Schwefelsäure. Auf dem Telefon am Nachttisch wurden vier kleine Fingerabdrücke gefunden. Die Abdrücke waren so klein, dass die Ermittler glaubten, sie stammen von einer Frau. Weder Owen noch Hotelmitarbeitern konnten die Abdrücke zugeordnet werden.

Im ganzen Zimmer fand sich keine Kleidung. Keine Unterhemd, kein T-Shirt, keine Hosen, keine Socken – und auch nicht der schwarze Mantel, den Owen bei der Anreise trug. Lediglich das Etikett einer Krawatte wurde gefunden.

Jean Owen wurde lange von der Polizei vernommen, da sie aufgrund der identischen Namen zunächst davon ausging, sie sei mit Owen verwandt. Es stellte sich jedoch heraus, dass die beiden nichts miteinander zu tun hatten.

Als die Ermittler versuchten, Verwandte von Owen in Los Angeles zu finden, stellte sich bald heraus, dass es dort niemanden mit dem Namen Owen T. Roland gab. Die Presse wurde aufgefordert, zur Klärung über den Fall zu berichten. Sämtliche Medien folgten der Aufforderung. Die Fingerabdrücke des Toten wurden zur Identifizierung sogar an das FBI geschickt, doch auch in deren Datenbank fanden sich die Abdrücke nicht. Die Leiche von Owen wurde für zwei Monate öffentlich aufgebahrt in der Hoffnung, dass ihn jemand identifizieren würde. Auch Robert Lane, ein Unbeteiligter, sah sich die Leiche an und meldete sich bei der Polizei.

In der Nacht von 3. auf 4. Januar gegen 23:00 Uhr sah Robert Lane in der 13th Street in Kansas City einen Mann, der trotz der Kälte nur mit Unterhemd, Hose und Schuhen bekleidet war. Der Mann hielt Robert, der in seinem Auto unterwegs war, an, da er den Wagen irrtümlich für ein Taxi gehalten hatte. Als der Mann seinen Irrtum bemerkte, bat er Robert, ihn zu einem Taxistand mitzunehmen. Robert erklärte sich dazu bereit und der Fremde stieg hinten ein. Als Robert den Mann im Rückspiegel betrachtete, fiel ihm ein tiefer Kratzer an dessen Arm auf. Zudem presste der Fremde seinen Arm, als würde er eine schlimme Blutung stoppen wollen. Als Robert ihn nach der Verletzung fragte, antwortete der Mann „I‘ll kill him tomorrow“. „Ich werde ihn morgen töten“. An der nächsten Taxistation ließ Robert den Mann aussteigen.

Laut Robert hatte Owen dieselbe Verletzung am Arm, die auch der Mann in seinem Auto hatte. Er ging davon aus, dass es sich bei dem Toten um den Fremden handelte, den er in seinem Auto mitgenommen hatte. Die Polizei zweifelte daran, da keiner der Angestellten des Hotels ausgesagt hatte, dass Owen das Hotel in dieser Nacht verlassen habe.

Die Polizei befragte auch die Angestellten des Hotel Muehlebach, wo Owen eine Nacht verbracht haben will. Dort hatte niemand mit dem Namen Owen T. Roland eingecheckt. Allerdings erinnerte sich das Personal an einen Mann mit dem Namen Eugene K. Scott, auf den die Beschreibung Owens passte. Auch Eugene hatte eine Adresse in Los Angeles angegeben und bestand auf ein Zimmer zum Innenhof des Hotels. Auch dieser Name stellte sich als falsch heraus.

Was wissen wir nicht?

Es ist nicht klar, ob die merkwürdigen Ereignisse in der Nacht von 3. Januar auf 4. Januar mit der Ermordung Owens zusammenhängen. Haben die Dame und der Herr, die miteinander auf ein Zimmer gegangen sind, etwas damit zu tun? Handelte es sich bei dem Mann um den ominösen Don? War die Frau diejenige, deren Fingerabdrücke die Polizei auf dem Telefon gefunden hatte? War es auch Don, der Mary davon abgehalten hatte, frische Handtücher in das Zimmer zu bringen? Beide konnten bis heute nicht identifiziert werden.

Warum hatte Owen nicht um Hilfe gerufen? Nicht einmal, als morgens um 7 Probst zu seinem Zimmer kam, um das Telefon aufzulegen?

Und warum war Owen im Zimmer eingeschlossen, als Mary am Morgen des 3. Januar in sein Zimmer kam? Irgendwer musste die Tür von außen verriegelt haben. War das der Besuch, den Owen noch am 2. Januar erwartet hatte, weshalb Mary den Raum nicht abschließen sollte?

Das Begräbnis

Als bereits kurz nach der Ermordung Owens zwei weitere Morde geschahen, wurde Owens Fall nur noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sowohl seitens der Ermittler als auch seitens der Presse.

Erst am 3. März fand der Fall wieder Beachtung. Das Bestattungsinstitut kündigte an, den Unbekannten am folgenden Tag in einem Armengrab zu bestatten. Noch am selben Tag erhielt das Bestattungsunternehmen einen Anruf von einem Mann. Dieser bat darum, die Beerdigung zu verschieben; er würde dem Unternehmen Geld für ein richtiges Grab und für eine Trauerfeier auf dem Memorial Park Friedhof in Kansas City zukommen lassen. Der Tote solle in der Nähe seiner Schwester der des Anrufers) sein, so der Anrufer. Als der Bestattungsunternehmer den Anrufer darauf hinwies, dass er den Anruf der Polizei melden müsse, sagte der Anrufer, er wisse das und es störe ihn nicht. Der Bestattungsunternehmer fragte den Anrufer außerdem, warum der Unbekannte getötet worden sei. Laut dem Anrufer habe der Tote eine Affäre mit einer Frau gehabt, obwohl er mit einer anderen verlobt gewesen sei. Der Anrufer und die beiden Frauen hätten das Treffen im Hotel arrangiert, um sich an ihm zu rächen. „Cheaters usually get what‘s coming to them!“ („Betrüger bekommen in der Regel das, was ihnen zusteht“) sagte der Anrufer noch und legte auf.

Das Bestattungsinstitut verschob die Bestattung tatsächlich aufgrund des Anrufs. Am 23. März erhielt es einen Briefumschlag mit 25 $ (heute etwa 500 $); dieser Betrag reichte aus, um den Toten wie telefonisch gewünscht zu bestatten.

Einen ähnlichen Anruf wie das Bestattungsinstitut hatte auch ein örtlicher Florist erhalten. Diesem wurden zwei Umschläge mit je 5 $ geschickt, um ein Arrangement von 13 American Beauty Rosen für das Grab zu gestalten. In einem der Umschläge befand sich eine Karte, auf der handgeschrieben „Love Forever – Louise“ stand.

An der Beerdigung nahmen nur der amtierende Minister sowie einige Polizeibeamte teil. Die Grabstätte wurde in den Tagen nach der Beerdigung von Ermittlern beobachtet, es kam jedoch niemand an das Grab.

Die Identifizierung

Bilder des Toten wurden auch weiterhin landesweit verbreitet in der Hoffnung, dass er doch noch identifiziert werden würde. Eineinhalb Jahre nach dem Tod des Mannes entdeckte schließlich Ruby Ogletree aus Birmingham, Alabama sein Bild in einer Zeitung. Sie vermutete, es handele sich bei dem Toten um ihren Sohn Artemus. Dieser war 1934 nach Kalifornien gereist; seither hatte sie ihn nicht mehr gesehen, allerdings mit ihm korrespondiert.

Roland T. Owen – was geschah in Zimmer 1046

Ruby setzte sich mit der zuständigen Polizei in Verbindung und lieferte ihnen eine Beschreibung ihres Sohnes, inklusive dessen Narbe am Kopf, dem Ergebnis eines Unfalls mit heißem Fett in der Kindheit von Artemus. Roland T. Owen konnte eindeutig als Artemus Ogletree identifiziert werden.

Weitere Merkwürdigkeiten

Ruby hatte auch in der Zeit nach dem 05. Januar 1935 Briefe erhalten, die angeblich von Artemus stammten. Der erste Brief, der Anfang 1935 an sie geschickt und in Chicago abgestempelt worden war, erregte bereits ihren Verdacht. Der Brief war mit Schreibmaschine geschrieben; Artemus allerdings konnte nicht tippen. Zudem war der Brief sehr umgangssprachlich und mit viel Slang geschrieben, ganz anders, als Artemus sich in seinen früheren Briefen ausgedrückt hatte.

Im Mai 1935 erhielt sie einen weiteren Brief, in dem ihr vermeintlich von ihrem Sohn mitgeteilt wurde, er würde nach Europa gehen. In einem Eilbrief erhielt sie kurz darauf die Nachricht, sein Schiff würde an diesem Tag lossegeln. Beide Briefe wurden aus New York verschickt,

Im August 1935 erhielt Ruby einen Anruf von einem fremden Mann aus Memphis, Tennessee. Dieser behauptete, Artemus habe ihm in einem Kampf das Leben gerettet. Artemus selbst könne nicht anrufen, da er inzwischen in Kairo, Ägypten, lebe. Er habe dort eine wohlhabende Frau geheiratet und es ginge ihm gut. Auch schreiben könne er ihr nicht, da er in dem Kampf, in dem er den Anrufer gerettet habe, einen seiner Daumen verloren habe. Das Gespräch mit dem Fremden dauerte etwa eine halbe Stunde; der Mann habe „wild“ gesprochen. Sie war sich jedoch sicher, dass er Artemus gekannt haben musste. Ruby konnte der Polizei den Namen des Mannes mitteilen, mit dem er sich ihr vorgestellt hatte – die Polizei hat diesen Namen jedoch bis heute nicht veröffentlicht.

Die Polizei überprüfte die Angaben des Anrufers. Es stellte sich heraus, dass niemand mit dem Namen Artemus Ogletree irgendwann nach Übersee gegangen war. Auch das US-amerikanische Konsulat in Kairo konnte nicht verifizieren, dass Artemus jemals dort gewesen war.

Weitere Entwicklungen

1937 nahm die Polizei von New York City einen Mann namens Joseph Martin fest, nachdem dieser seinen Zimmergenossen getötet und die Leiche in einen Koffer gelegt hatte, der nach Memphis verschifft werden sollte. Abgesehen von diesen örtlichen Parallelen – Ruby erhielt Briefe aus New York und einen Anruf aus Memphis – soll Joseph dieselbe Handschrift gehabt haben wie der Mann, der Briefe an Ruby geschrieben hatte. Zudem war einer seiner falschen Identitäten „Donald Kelso“, was man mit „Don“ abkürzen kann – dem Namen, mit dem Artemus am Telefon den Anrufer angesprochen hatte. Dennoch wurde im Fall Ogletree keine Anklage gegen Joseph erhoben; die Akte wurde offen gelassen. Bis in die 1950er Jahre prüften verschiedene Ermittler den Fall sporadisch. Allerdings gab es keine neuen Beweise und keine neuen Anhaltspunkte.

2003/2004 erhielt ein Lokalhistoriker der öffentlichen Bibliothek von Kansas City, John Horner, einen Anruf. Der Anrufer erzählte ihm, er habe bei der Inventur der Habseligkeiten einer verstorbenen älteren Person geholfen. Dabei habe er einen Schuhkarton gefunden, der gefüllt war mit Zeitungsausschnitten im Zusammenhang mit dem Fall Artemus Ogletree sowie einen Gegenstand, der in den Zeitungsberichten erwähnt worden war.  Der Anrufer sagte jedoch nicht, um welchen Gegenstand es sich handelte. Auch wollte er seinen Namen nicht nennen.

Damit stehen die Ermittlungen auch nach 80 Jahren praktisch noch am Anfang. Und mit jedem Jahr, das vergeht, wird es unwahrscheinlicher, dass wir erfahren, wer Artemus Ogletree ermordet hat. Und warum.

Roland T. Owen – was geschah in Zimmer 1046?
Artemus Ogletree

Und das Hotel?

Das Hotel gibt es noch heute. Es ist Teil des Hilton-Imperiums und trägt den Namen Hilton President. Vielleicht können Sie dort ja in Zimmer 1046 nächtigen …


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Geschrieben von

Autorin. Rechtsanwältin. Apfel-affin. Katzennärrin. Nervtötend.

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